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Das Ölziehen

Ölziehen, Ölkauen oder ganz einfach »Ölen« – das Spülen des Mundes mit Pflanzenöl, um den Körper zu entgiften – ist ein vielfach erprobtes Hausmittel, das sich wachsender Beliebtheit erfreut. Obwohl eine eindeutige, wissenschaft­lich fundierte Erklärung der Wirksamkeit des Ölziehens noch aussteht, wird diese einfach durchzuführende Form der Entgiftung von vielen Menschen mit größtem Erfolg praktiziert und begeistert weiterempfohlen.

»Wer heilt, hat recht« – so heißt es, und wer sich erst ein­mal von der wohltuenden, lindernden und erfrischenden Wirkung des Ölziehens überzeugt hat, wird sich wohl kaum daran stören, dass hochschulmedizinische Untersuchungen und Forschungsreihen zu dieser Entgiftungskur noch aus­stehen. Wichtiger für die Verbreitung des Ölziehens sind die vielfältigen positiven Erfahrungen, die mit dieser »sanften Medizin« gemacht wurden. Neben den teilweise spektaku­lären Erfolgen vor allem für gesunde Zähne, ein gesundes Zahnfleisch, für einen freien Kopf und Hals-Nasen-Rachen-Raum sowie bei der Abwehr von Infektionen spricht für das Ölziehen, dass es ohne großen Aufwand zu Hause durchge­führt werden kann, dass es preiswert ist und keine schädli­chen Nebenwirkungen mit sich bringt.

Bei uns wurde das Ölziehen durch einen Artikel populär, der 1991 in Natur und Medizin erschien, dem Mitglieder­brief der Fördergemeinschaft für Erfahrungsheilkunde (Karl und Veronica Carstens-Stiftung). In dem Beitrag wurde ei­nem breiten Publikum erstmals das Mundspülen mit Son­nenblumenöl vorgestellt, ein Volksheilmittel aus der Ukrai­ne und Weißrussland. Der Förderverein, der sich für die Integration von Naturheilkunde und Homöopathie in die Hochschulmedizin einsetzt und sich um die Erforschung, Anerkennung und Verbreitung alternativer, naturheilkund­licher Verfahren verdient macht, hatte die Übersetzung ei­nes Referats von Dr. F. Karach abgedruckt. Es war auf einer Tagung des All-Ukrainischen Verbandes der Onkologen und Bakteriologen gehalten worden und empfahl das Ölziehen als Heilmethode unter anderem bei chronischen Bluter­krankungen, bei Störungen von Magen, Lunge und Leber sowie bei Nervenleiden.

Die vorgestellte Methode stieß bei den deutschen Lesern auf ein reges Interesse, und bald gingen in der Redaktion Erfahrungsberichte von Menschen ein, die mit Hilfe des Ölziehens verschiedenste gesundheitliche Beschwerden ku­rieren konnten und die gesundheitsstärkende Wirkung des Ölziehens am eigenen Leibe erfahren hatten.

Seit dieser Erstveröffentlichung kursieren unter Gesundheitsbewussten Kopien des Originalbeitrags, aber auch die verschiedensten Abschriften und Übersetzungen der Hin­weise und Empfehlungen von Dr. Karach. Bei meinen Re­cherchen zu diesem Buch staunte ich über die Vielfalt der Fassungen des einfachen »Grundrezepts« (Spülen mit Son­nenblumenöl), wie es zuerst von Natur und Medizin und kurz darauf von der Zeitschrift Natur und Heilen vorgestellt worden war. Außerdem wusste fast jeder Mann und jede Frau jener achtsam lebenden Zeitgenossen, die ich fragte, ob sie schon einmal etwas vom Ölziehen gehört hätten, um die Methode. Fast jeder hatte damit selbst Erfahrungen ge­macht, hatte es bereits ausprobiert, praktizierte es seit län­gerem regelmäßig oder wollte bei Gelegenheit wieder damit anfangen.

Das Ölziehen scheint also ähnlich wie die »Fünf Ti­beter« eine Methode zu sein, die genau den Bedürfnissen einer großen Zahl von körper- und gesundheitsbewussten Menschen, die »auf dem Weg« sind und etwas für sich tun möchten, entspricht. Und genauso wenig persönlich identi­fizierbar wie der Autor der »Tibeter« ist jener russische Arzt Dr. Karach, dessen Artikel bei uns jenen Ölzieh-Boom aus­gelöst hat – was allerdings der Seriosität und Wirksamkeit der Methode keinerlei Abbruch tut. Verschiedene Versuche, ihn in Russland ausfindig zu machen und zu der von ihm propagierten Methode genauer zu befragen, waren bislang nicht von Erfolg gekrönt.

Das Entgiften des Organismus über die Mundschleimhaut ist eine Kur, die auch die traditionelle indische Medizin kennt. In den ayurvedischen Schriften gibt es dazu verschie­dene Rezepte und Anweisungen. Generell ist die innerliche und äußerliche Behandlung mit Öl eine der grundlegenden ausleitenden Methoden im Ayurveda. Doch werden dabei andere Öle als das Sonnenblumenöl verwendet. Und mit Sicherheit kennt oder kannte jede Volksmedizin auf der Welt ähnliche Methoden der Reinigung und Entgiftung.

In diesem Buch finden Sie die grundlegenden Informa­tionen zum Spülen und Entgiften über die Schleimhaut des Mundes mit verschiedenen pflanzlichen Substanzen. Im Vordergrund stehen das Spülen mit Sonnenblumenöl, mit Sesamöl sowie mit Aloe-Vera-Gel. Es werden die jeweiligen Techniken vorgestellt, sodass jeder zu Hause in Eigenregie erproben kann, welche Form der Entgiftung über den Mund seinen Bedürfnissen am besten entspricht.

Eine Kur zum Entgiften impliziert, dass es zuvor zu einer Vergiftung gekommen ist. Wohl kaum jemand wird abstrei­ten können, dass die meisten Menschen derzeit in einer mehr oder weniger vergifteten Umwelt leben. Der Körper wird von Giften in der Luft, im Wasser und im überdüngten Boden attackiert. Er nimmt Gifte durch die Nahrung zu sich und kommt mit Giften in der Kleidung in Berührung. Viele Baumaterialien, Farben und Lacke strömen giftige Dämp­fe aus und führen bei empfindlichen Menschen zu allergi­schen Reaktionen oder gar chronischen Krankheiten.

Neben den Umweltgiften, denen wir ausgesetzt sind, leiden viele Menschen auch an Vergiftungserscheinungen, deren Ursache geistiger Natur ist. Genauso wie wir uns mit gespritzter und denaturierter Nahrung vergiften können, ge­schieht dies auch mit Gedanken und Worten. Eine giftige Zunge kann genauso viel Schaden anrichten wie verseuch­tes Gemüse. Entgiftung betrifft also immer beide Ebenen: die physische und die geistig psychische. Letztlich ist jedoch auch die scheinbar rein materielle Vergiftung durch be­stimmte Substanzen ein Spiegel geistiger Prozesse und Zu­stände sowohl der Gesellschaft als auch der individuellen Persönlichkeit.

Wer vergiftet ist und Ballast in Körperzellen, Herz und Verstand mit sich herumschleppt, fühlt sich müde und ausgelaugt. Auch intensive psychische Prozesse und geisti­ge Entwicklungsschübe gehen oft mit Erschöpfung einher, bevor die neue Leichtigkeit in allen Zellen Einzug hält. Des­halb ist es für den Körper gerade in Zeiten starker geistig­seelischer Beanspruchung eine große Hilfe, wenn nicht nur auf psychischer Ebene geklärt und gereinigt wird, sondern auch ganz konkret auf der materiell-körperlichen etwas zur Erleichterung getan wird. Umgekehrt kann jede Reinigungs­kur, die der Entschlackung des Körpers dient, durch geistige Bilder und aufbauende Denkmuster verstärkt werden.

Der Mund- und Rachenraum, der beim Ölziehen behan­delt wird, ist dabei von besonderer Symbolik. Mit Hilfe des Mundes artikulieren wir uns und nehmen über die Nah­rung die Welt in uns hinein. Das Sich ausdrücken oder »Aus­spucken« und das Aufnehmen als zentrale Themen dieses Körperbereiches werden durch das Ölziehen stimuliert und auch ins Gleichgewicht gebracht.

Das Ölziehen ist also mehr als nur eine Technik, die der Gesundheit dient. Es kann auch ein Impuls sein, sich auf allen Ebenen genauer anzuschauen, was hereinkommt und was wieder nach außen gelangt, um so achtsamer mit sich und der Welt umzugehen und klarer zu kommunizieren.